Weichenstellung am Gerbeplatz

Braucht Wädenswil zwei Parkhäuser im Zentrum?

Anfangs September unterstützte der Gemeinderat einen Vorstoss von Bürgerlichen Parteien, die den Bau einer öffentlichen Tiefgarage beim Gerbeplatz anstreben.

 

Mit dem Gerbeplatz gestalten wir einen wichtigen Teil unseres Zentrums. Entsprechend gut will die dortige Entwicklung überlegt sein. Soll ein Begegnungsraum mit hoher Aufenthaltsqualität für die Menschen entstehen? Ein Ort, mit grossräumigen Versickerungsflächen und Bäumen? Schatten und die Verdunstung von Feuchtigkeit verschaffen uns Abkühlung bei Hitze und sorgen für ein angenehmes Mikroklima.

Oder wollen wir eine Tiefgarage, die das verhindert und nebst ein paar Büschen und Zierbäumchen, die in der dünnen Humusschicht darüber Halt finden, vor allem noch mehr Autoverkehr ins Zentrum bringt?

Angrenzendes Gewerbe

Der Mix der Geschäfte in unmittelbarer Umgebung des Gerbeplatzes lässt daran zweifeln, dass deren Kundschaft zwingend auf das Auto angewiesen ist. Genauso gut kann es sein, dass der Umsatz zunimmt, weil die Attraktivität des Gebiets gesteigert wird, sich deshalb mehr Passantinnen und Passanten länger dort aufhalten und die lokalen Geschäfte für sich neu entdecken. Es gibt keine Studie, die belegt, dass Auto-Kundschaft mehr einkauft.

Auch wer die Bahn benutzt, kann gut mit dem Bus zum Bahnhof fahren, was die Umwelt vor unnötigen Autofahrten entlastet und keine Parkplätze erfordert. Sollten die Anschlüsse unzureichend sein – z.B. im Berg – wäre ein Ausbau des Busverkehrs die weitaus sinnvollere Investition und käme auch mehr Personen zugute. Kurzzeit-Parkplätze vor dem Bahnhof wird es weiterhin geben.

Ausufernde Kosten

Die Bodenbeschaffenheit ist an dieser Stelle hochproblematisch. Das musste die Stadt beim Bau der Unterführung erfahren. Das Bauwerk verschlang zusätzlich zwei Drittel der ursprünglich veranschlagten Kosten, wegen dem instabilen Untergrund aus Seekreide und dem starken Wasserandrang.

 

Auswirkungen auf das Zentrum

Obwohl das Parkhaus unterirdisch – also nicht sichtbar – sein soll, wäre die Belastung für das umliegende Gebiet enorm. Noch mehr Autos fahren ins Zentrum und verstopfen die Strassen. Die Ein- und Ausfahrt beansprucht viel Platz vom sowieso schon kleinräumigen Gerbeplatz. Grosse Bäume und Versickerungszonen würden verunmöglicht.

Eine zeitgemässe Verkehrsplanung bevorzugt verteilte Umsteige-Knotenpunkte und hält unnötige Auto- und ÖV-Pendelströme vom Zentrum fern. Benötigen wir dennoch ein zweites Parkhaus mitten im Zentrum, wo doch bereits bei der Coop-Zentrumsüberbauung eine öffentliche Tiefgarage entsteht?

«Ja», findet unser bürgerlich geprägter Gemeinderat und verlangt dazu eine Planung vom Stadtrat. Bleibt zu hoffen, dass unter dem Druck von Lärmbelastung, Luftverschmutzung und Hitzestaus auch in der Lokalpolitik der Wille wächst, mehr für die Umwelt zu tun.

Dieser Artikel erschien im Oktober 2023 in der Parteizeitung «So!».